Mai Five O

Alex O'Laughlin und Scott Caan

Aussergewöhnlich still ist es heute morgen und nach der ersten Ungewissheit erinnere ich mich an den ersten Mai und die Busse und Trams deshalb eine Zeit lang nicht fahren. Beim Blick auf den Spalt unter meiner Zimmertüre sehe ich, dass die Sonne scheint. Sie hat sich in meine Wohnung geschlichen wie ein Dieb, der auf Zehenspitzen von Zimmer zu Zimmer tappt. 07.31 zeigt der Wecker. Ich lasse mich zurück ins weiche Kissen fallen, schliesse die Augen nochmals und gewähre meinem Kopfkino freie Bahn. Erinnerungen jagen hinter den Wünschen her. Ein Gemisch aus Filmausschnitten, tatsächlichen Erlebnissen und Second-Hand-Geschichten macht sich in meinem ganz persönlichen Film breit und das ergibt eine chaotische Mischung. Aus tiefer Vergangenheit zupfe ich ein klares Bild aus diesem Durcheinander, sehe einen hellen Raum, sogar der Teppich darin ist weiss. Die Sonne scheint strahlend wie heute und ich sitze mit dem Rücken an eine Scheibe gelehnt und geniesse die Wärme. Vor mir liegt ein Bild, das so gar nicht zu diesem ersten Frühlingstag passt. Ich wünsche mir Regenwetter, düsteres, trauriges und anhaltendes Regenwetter, das mich alles vergessen lässt, höre ich ihn murmeln. Der Gedanke an blühende Bäume macht mich halb krank, diese in allen rosa Schattierungen blühenden Bäume. Ich sehne mich nach schwarzen Ästen, die sich scharf gegen den Himmel abzeichnen, getränkt vom Regen. Dann wieder Stille, totale Stille. Das Bild hiess ‚regnerischer Sonntag’ und ich muss im Halbschlaf vor mich hin lächeln bei diesen Erinnerungen. Das war ja ein Frühling, damals. Ein guter, trotz allem.

Ich drehe mich langsam zur Seite, Szenen aus Ocean’s eleven drängen sich in den Vordergrund, dann plötzlich Clive Owen als Gärtner in einem Gefängnis, ein Zoobesuch mit meinen noch ganz kleinen Jungs, und was das jetzt miteinander zu tun hat, weiss ich wirklich nicht. Bruce Willis unterhält sich mit Julia Roberts und ich mache mir sogar im Halbschlaf Sorgen um meinen Filmgeschmack.

Die Sonne hat währenddessen mein Bett erreicht und ich ziehe die Decke über meinen Kopf, damit es nicht so hell ist. Stehe unerwartet in einem Garten, schon wieder ein Garten, diesmal ohne Clive, in dem überall Rosen blühen, Ich kenne diesen Garten. Ich arbeite dort. Nicht im Garten, aber im Haus, das zu diesem Garten gehört. Flüchtig erhasche ich einen Blick auf eine dunkle, mit Ornamenten verzierte Haustüre, biege rechts ab und finde ich mich vor einem Computer wieder. Zahlenreihen verschwimmen vor meinen Augen und ich kann nicht ganz folgen, eigentlich kann ich gar nicht folgen, denn ich höre grad durch das Telefon, dass ich wirklich mit Dringlichkeitsstufe dunkelrot aufstehen und nach Hause gehen sollte. Schon sitze ich auf dem Fahrrad. Tut gut, den Wind um die Ohren zu spüren, doch ich bin stinksauer und nehme das laue Lüftchen nur nebenbei war. Ich bin so wütend, dass, wäre ich in einem Märchen, meine Augen vermutlich Funken sprühen würden. Aber ich bin nicht in einem Märchen. Immer zwei Stufen auf’s Mal ein Treppenhaus hoch, was bis in die zweite Etage gut geht, dann werde ich langsam, kann kaum noch atmen und komme komplett erledigt oben an. Die Wohnungstüre steht offen und ich sehe in zwei vor Schreck geweitete Augen, höre den Satz ‚wir können doch sicher weiterhin Freunde sein’ und drehe durch. Unscharf die Bilder jetzt, laut ist es, jemand schreit, dann habe ich plötzlich unzählige Kleidungsstücke und einen Regenschirm in der Hand und stehe auf dem Balkon. Ganz in böser-Königinnen-Manier starre ich einen Augenblick ins Nichts und blühe förmlich auf in dieser Rolle. Einmal richtig böse und gemein sein, das fühlt sich erstaunlich befreiend an. Obschon man wüste Beschimpfungen ja so selten trainieren kann, kommen sie jetzt ganz von selbst, aus heiterem Himmel und kombiniert mit dem Hinunterschleudern der Dinge, die ich in der Hand halte. Fünf Stockwerke in die Tiefe. Dann höre ich Stimmen, eine Brille landet vor meinen Füssen und neben mir steht die vollkommen aufgelöste Diane Keaton in einem weissen Rollkragenpullover, tastet nach ihrer Brille und stottert irgendetwas vor sich hin. Sofort schaue ich mich um, ob wohl auch Jack Nicholson in der Nähe sei, doch beim Blick ins Zimmer sehe ich nur einen Mann mit einer dunkelblauen Weste, auf der mit Grossbuchstaben CSI steht, der mit einem Pinsel den Türrahmen bepudert.

Ich zucke zusammen und ziehe scharf die Luft ein. Was ist los? Verwirrt  fixiere ich die Decke über mir und versuche, einen klaren Gedanken zu fassen. Aufstehen, steh doch einfach auf. Das klappt aber nicht und bevor ich mich aufraffen kann, sitze ich in einer lichtdurchfluteten Dachwohnung in mitten von Zügelkisten und sollte eine Entscheidung treffen. Ich habe keine Ahnung was für eine, denn in diesem Moment reisst Daniel Craig die Wohnungstüre auf, zwinkert mir kurz zu, durchquert mit drei grossen Schritten das Wohnzimmer und stürzt sich über die Terrassenbrüstung. Die drei Verfolger registriere ich schon gar nicht mehr, denn ich sollte ja eine Entscheidung treffen. Wegwerfen, verbrennen, Telefonnummer ändern? Das hört sich nach Freiheit an und mein Entschluss steht fest. Doch in diesem Moment klingelt es. Und nochmals. Wie war das mit den Postboten, die immer zweimal klingeln? Aus den tiefen des Universums taucht plötzlich Alex O’Loughlin auf, auch er in einer Weste, nur ist diese schwarz und kugelsicher, was ich weiss, weil er eigentlich ständig kugelsichere Westen trägt. Sein Gesicht ist mit schwarzer Farbe beschmiert und er blutet aus diversen Wunden am linken Arm. Trotzdem ist er wie immer ganz cool, schaut mich ruhig an und sagt ohne dafür einen Grund zu nennen ‚es ist alles in Ordnung, ganz ruhig’ Ich bin total ruhig und weiss ehrlich gesagt auch nicht, was nicht in Ordnung sein sollte. Er lässt sich aber nicht beirren und spricht betont langsam weiter ‚mach dir keine Sorgen, ich hab das ganze Haus durchsucht und es ist wirklich alles gut. Komm, setzen wir uns hin und reden wir doch in Ruhe darüber. Wir finden eine Lösung.  Du musst nicht alles vernichten und deine Telefonnummer ändern. Bitte entferne mich nicht aus deinem Leben. Wir können ja einfach Freunde sein. Hier ich habe dir einen Kaffe mitgebracht…’ Endlich wache ich auf nach diesem ganzen Sermon und muss lachen. Ja, sie tun wirklich immer das richtige, diese Jungs. Sehen jedes abgebrochene Ästchen, das ihnen eine Spur weist, setzen immer die richtigen Prioritäten und verlieren nie, wirklich nie die Nerven. Das ist ja zum schreien! Fertig Kino. Zeit aufzustehen. Es ist 07.37.

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