Brønnøysund (Brönnöysünd) – Tag fünf – oder die Mitte von Norwegen

Thorghatten

Ruhige Nacht, leichter Regen morgens. Kaum draussen, dröhnt das Schiffshorn und da ist es, das Torghatten. Ein Wahnsinnsfelsen, oder Berg, weiss gar nicht, wie es denn richtig benannt werden will. Jedenfalls ein massiver, hoher Fels mit einem Loch in der Mitte. Von weitem ist es einfach ein prächtiges Bild, imposant und mächtig. Aus der Nähe soll es umwerfend sein: 35 m hoch, 160 m tief und 20 m breit. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, die Entstehung dieses Lochs zu erklären. Roman und Björn haben da natürlich auch einige Versionen zu bieten, seien sie mystisch, lustig oder gfürchig. Die Geologische ist wohl diejenige, die gewinnt. Leider. Aber wer weiss das schon!

Wir segeln weiter, der Hafen Brønnøysund liegt vor uns, die offizielle Mitte von Norwegen. Ein Stein markiert die exakte Mitte der Westküste Norwegens, er ist weiss und gar nicht so gross. Dennoch, es ist die Mitte zwischen Lindesnes (840 km) und dem Nordkap (840 km). Kapuze hoch und dem Quai entlang, hinauf zur Kirche und weiter zum See, östlich der Kleinstadt. Die Stille dort umfängt mich, ich bleibe stehen und höre … nichts. Dann plötzlich aufgeregte Vogelstimmen, dann wieder Ruhe. Wunderbar!

Ich weiche einem streitenden Paar aus, gehe durch den Friedhof und genau in diesem Moment kommt die Sonne hervor. Grossartiges Timing! Beim Mittagstisch setzt sich David zu mir, der passionierte Fotograf aus Australien. Ein Geniesser und wirklich angenehme Gesellschaft. Die Diskussionen zwischen uns gehen stets rund um die Welt und wenn’s brenzlig wird, hilft jeweils der ähnliche Humor, die Klippen zu umschiffen. Alles gut.

Apropos Mitreisende: Der Mann aus Texas liest neuerdings fast ununterbrochen. Dazu nimmt er gar seinen Hut ab. Ein schönes Bild. Zudem hat sich die Hansen Crew vermehrt und jetzt wird morgens ausgiebig Krafttraining gemacht auf dem heckseitigen Umlaufdeck. Die Norwegerpullover haben auch Zuwachs bekommen, die Frisuren sind rundum zerzauster und die Kleiderschichten nehmen zu. Die Kilos übrigens auch (was die Küche auf den Tisch zaubert, ist einfach exquisit).

Wir lassen Brønnøysund hinter uns, vor uns die Lofoten. Roman hält einen flammenden Vortrag zum Leben auf den Lofoten – er wohnt da und kommt gar nicht mehr aus dem schwärmen heraus. Die harte Arbeit der Fischer und der Menschen, die dort leben, lässt er aber auch nicht weg und einmal mehr ist der überschäumende Tourismus ein grosses Thema. Es ist ein Dilemma: Eines Teils sind die Menschen hier angewiesen auf den Tourismus, andererseits kann der Strom an Besuchern kaum mehr kontrolliert werden. Lösungen? Eine Diskussion, die aktuell ist hier, wie wohl an so manchen Orten. So höre ich es von Reisenden aus Amsterdam, Barcelona, Malta oder Stockholm, um nur einige Beispiele zu nennen. Lösungen? Das grosse Fragezeichen bleibt – wir sind ja auch alles Touristen und da wird eine wertfreie Diskussion etwas schwierig. Ausgeblendet wird sie trotzdem nicht. Gut so.

Die Landschaft ändert sich schnell um uns herum, steuerbordseitig passieren die Syv Søstre (seven sisters). Überwältigend, beeindruckend, wunderschön. Ich finde gar keine Wörter, die dieser Landschaft am Tor zu den Lofoten gerecht werden. Das Abendlicht, die untergehende Sonne und das stille vorbeigleiten der Schären, die nahen und fernen Berge – Eindrücke für die Ewigkeit.

Um exakt 20h, 17Min. und 14Sek. überquerten wir den nördlichen Polarkreis (66°33’00″). Das Schiffshorn hallte kurz durch die Nach. Willkommen in Nordnorwegen.

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